Kochbuch-Rezension: Made in London

IMG_4113Auf eine Reise durchs kulinarische London nimmt Leah Hyslop ihre Leser – mit ihr an der Seite traut man sich auch in die exotischsten Hinterhofläden, kann sich einmal um die Welt kochen. Ein Buch voller Anekdoten und leckerer Rezepte.

„Wenn New York die Stadt ist, die nie schläft, dann ist London die Stadt, die immer hungrig ist.“ – mit dieser These beginnt das Buch „Made in London“ und Autorin Leah Hyslop hat auch einen Beleg dafür: Bei mehr als 7000 Restaurants in der Stadt könnten die Londoner 7 Jahre lange jede Mahlzeit des Tages in einem anderen Etablissement einnehmen, ohne dabei zweimal am selben Ort essen zu müssen. Zwar hat die Autorin nicht alle Restaurants auf den rund 300 Seiten aufnehmen können und es ist auch eine Vor-Corona-Momentaufnahme – trotzdem ist das Buch voller Entdeckungen, Geheimtipps und Erinnerungen, die sowohl beim Lesen als auch beim Kochen Spaß machen.

Eine Insiderin über ihre Stadt

Leah Hyslop selbst ist Foodautorin und -redakteurin. Sie war viele Jahre für The Telegraphtätig und ist jetzt Deputy editor bei Waitrose & Partners. Die gebürtige Londonerin kennt und liebt ihre Heimatstadt – das ist dem Buch auf jeder Seite anzumerken, denn jedes der Rezepte hat Hyslop mit einer kleinen Anekdote versehen: „Meine erste Begegnung mit den gedämpften taiwanesischen Brötchen fand auf einem Streetfoodmarkt in East-London statt, seitdem kämpfe ich gegen die Abhängigkeit“, bekennt sie etwa über dem Rezept für Bao-Brötchen mit Schweinefleisch und eingelegten Karotten. Wer das Gericht nachkocht, weiß warum.

„Made in London“ ist eine Mischung aus Geschichtsbuch, Reiseführer und Rezeptesammlung, aufgeteilt in die Mahlzeiten des Tages. Angefangen vom Frühstück über die unvermeidliche Teatime bis hin zum Mitternachtssnack. Die Rezepte sind nicht alle bebildert, wenn, dann aber mit großflächigen Fotos, die sofort Hunger machen.

So schlendere ich als Leserin mit der Autorin durch London, lasse mir spannende Anekdoten über die kulinarische Geschichte der Stadt erzählen. Hyslop beschreibt unter anderem die Bedeutung der Themse für die Stadt und ihre kulinarische Entwicklung: Schiffe aus allen Teilen des römischen Reichs brachten schon damals exotische Lebensmittel, etwa Kirschen, Erbsen oder Walnüsse, die „die brittanische Küche für immer veränderten“, schreibt Leah Hyslop. Zu Beginn des 18. Jahrhunderts legten rund 7000 Schiffe pro Jahr mit verführerischen Gütern aus aller Welt an: Zucker und Rum aus der Karibik, Tee und Gewürze aus Asien, Orangen aus Spanien, Mais aus Amerika.

Zwischendurch kann ich immer wieder probieren – nur kochen muss ich in diesem Fall selbst, während ich mir unzählige Google-Favoriten-Marker für den nächsten London-Trip setze. Von den besten historischen Restaurants Londons bis hin zu den besten Lebensmittelläden hat Hyslop eine ganze Reihe von Top 10-Listen angelegt.

Genau diese Lebensmittelläden hätte ich gern in meiner Nähe, als ich mich an die Einkaufsliste für die ersten Rezepte setze. Londons Küche ist unglaublich international, ein gut sortierter Supermarkt sowie asiatische und türkische Feinkostläden in der Nähe sind da fast ein Muss. So improvisiere ich an der einen oder anderen Stelle, belege die Pide zunächst mit Hackfleisch und Spinat statt frischen Feigen.

Außergewöhnlich!

Die Ergebnisse sind trotzdem durch die Bank großartig: Der Pideteig etwa, der durch Schwarzkümmel und Honig einen besonderen Geschmack bekommt, die Pancakes, denen Earl-Grey-Tee ein ungewöhnliches Aroma gibt. Auch den Zitronen-Lavendel-Scones verleiht schon der halbe Teelöffel getrockneter Lavendel einen ganz besonderen Geschmack.

Es sind genau diese kleinen Kniffe, die in fast jedem Rezept stecken, die mich mehr und mehr in das Buch hineinziehen, ein Gericht nach dem nächsten ausprobieren lassen. Ich dämpfe Bao-Brötchen und brate das frisch gebackene Kokosbrot in „nicht zu wenig Butter“, wie Hyslop eindringlich rät, lege mir Gewürzmischungen und britisches Marmite zu.

Sicher ist: Meine London-Reise ist lang noch nicht vorbei. Noch habe ich das Bacon-Naan mit Chili-Tomaten-Marmelade nicht probiert, den Pfannen-Cookie mit geschmolzenem Schokoladenkern, und auch die Brötchen mit Käse und Marmite will ich noch probieren – dann aber auch nach London reisen und in der Albion-Bäckerei in Clerkenwell die Original-Brötchen probieren, die Hyslop immer dann kauft, wenn es einem Kollegen nicht gut geht.

„Made in London“ ist ein Stadt-Kochbuch, das seinesgleichen sucht – und das liegt am Anspruch der Autorin. Sie bedient nicht Aufgewärmtes, sondern vereint Stadtgeschichte, ausgefeilte Rezepte der internationalen Gastronomie und Adresstipps zu einem vielseitigen wie spannenden Werk, das von der Küche auf die Lesecouch und zurück wandert.

Veröffentlicht im März 2021 auf Valentinas – Best of Cookbooks

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