Gastro-Kritik: 1876, Düsseldorf

 

 

1876

Seit 17 Jahren betreibt Daniel Dal-Ben im Düsseldorfer Zoo-Viertel sein besterntes Restaurant „Tafelspitz 1876“ – nun hat er gründlich renoviert: Fast die Hälfte seiner Tische hat er rausgeworfen, den gutbürgerlichen Tafelspitz aus dem Namen gestrichen und die klassische Speisekarte gleich ganz abgeschafft. Stattdessen serviert er im neu eingerichteten Wohnzimmer-Lokal „kulinarische Entdeckungsreisen“ – oder weniger poetisch: Das, was ihn morgens beim Einkauf auf dem Markt angelacht hat. Serviert werden die vier, fünf oder sechs Gänge von seinem Sous-Chef, der sich für den Service „schnell ein Hemd angezogen hat“ – denn das Restaurant ist noch ein Zwei-Mann-Betrieb. Weder den Speisen, noch dem Service schadet diese Improvisation, im Gegenteil: Sie trägt zum Charme des Abends bei. Zu Beginn füllt sich der Tisch mit allerlei Grüßen aus der Küche: Warmem Schweinebauch auf einem süßen Mini-Bagel, konfierte Tomate, Kürbis-Würfel mit italienischem Lardo. Dann führt die Reise über viele Kontinente: Foie Gras wird getoppt von Räucheraal, begleitet mit Allerlei von der Pastinake – salzig und frisch zugleich. Danach eine Tiefsee-Garnele ummantelt von Garnelen-Farce und Aubergine, schwimmend in cremig süßlichem Miso-Schaum. Der Zander wird begleitet von französischen Miesmuscheln, das US-Rind von cremigem Süßkartoffelpüree und Petersiliensand. Alle Gerichte sind gut komponiert, raffiniert, ohne extravagant zu sein. Nur die Getränkepreise sind etwas extravagant kalkuliert und wegen der fehlenden Speisekarte nicht transparent –das einzige, was nach einem rundum gelungenen Abend als fahler Geschmack bleibt.

Statt auf Tradition zu setzen, hat das 1876 ordentlich durchgefegt und überzeugt mit einem mutigen Konzept!

Erschienen in B-EAT 1/2020

1876

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